Das versunkene Dorf

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Im Reschensee (italienisch Lago di Resia) der Gemeinde Graun im westlichen Südtirol liegt das untergegangene Dorf Reschen. Er liegt auf einer Höhe von 1500 Meter! Wir machten uns auf dem Weg um diesen mystischen Ort zu besichtigen.

 

Eineinhalb Stunden Fahrzeit lag, von St. Leonhard bis zum Reschenpass, vor uns. Zwischen den hohen Bergen schlängeln sich, die für Deutsche, enge Straßen durch. Gerade verläuft hier selten eine Straße sondern sie sind alle sehr kurvig und nah am Felsen.

 

Ab dem warmen Meran ging es Richtung Vinschgau. Rechts und links erhabene Berge und man bekam das Gefühl ein Nichts im Gegensatz der erhabenen Felsen zu sein.

 

Ab Algund geht es stetig Bergauf. Vorbei an vielen Burgen und Ruinen, die durch ihren Anblick, zu einer Besichtigung verlocken. Unzählbare, interessante und geschichtsträchtigen Bauwerke, die die Jahrhunderte überstanden haben, ziehen an uns vorüber. In den Tälern, die wir durchfuhren, wird sehr viel Weinbau betrieben. Mächtige, wunderschöne Zypressen in sehr dunklem Grün stehen wie wachende Soldaten rechts und links von der Straße.

 

Nahe der Schweizer Grenze macht die Straße eine Biegung und führt steiler hinauf. Inzwischen waren die Gipfel sehr nah zu sehen. Weiß bezuckert vom Neuschnee leuchteten sie uns entgegen.

 

Ein Monument erinnert an die Gefallenen des Krieges. Es folgten Bunker und dann lag er auch schon vor uns: Der Reschensee!

 

Er leuchtete in einem wunderschönen türkisgrün. Umgeben von den den Gipfeln wirkte die Landschaft wie aus einem Märchen.

 

 

Wir hielten auf dem Parkplatz der direkt vor dem, aus dem Wasser ragenden Kirchturm, angelegt wurde.

 

Ein Blick auf unser Thermometer verriet uns eine Temperatur von gerade einmal 6 Grad. Dazu war es bewölkt und sehr windig. Wir zogen zwei Jacken übereinander an, dennoch war es eisig kalt. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir unsere Wintersachen mitgenommen. Es war Ende Mai und das Gefühl von Winter machte sich auf unserer Haut ziehend bemerkbar.

 

Der erhabene Anblick des Kirchturmes ließ uns die Welt um uns herum vergessen. Nur die Kälte nicht.

 

An den Außenwänden des Turms erkennt man, dass es auch höhere Wasserstände gibt. Laut Erzählungen sollen ein manches mal die Glocken von unten geläutet werden.

 

Was ist das hier? Ein Segen? Oder ein Fluch? Was geschah hier genau?

 

Wir lasen es Vorort nach. In einer großen Glasvitrine ist das ehemalige Dorf nachgebaut worden und auch Beschreibungen erklärten uns den Ablauf.

 

Der Reschensee ist ein künstlich angelegter Stausee von einer sechs Kilometer Länge und an der breitesten Stelle von einem Kilometer.

 

Bis zur Seestauung 1950 gab es drei Seen. Den Mittersee, den Haidensee und den Reschensee. Bei der Seestauung wurde das gesamte Dorf Graun und ein großer Teil des Dorfes Reschen einfach versenkt.

 

163 Häuser wurden schlichtweg versenkt! Sowie 523 Hektar fruchtbarer Boden versank in den Fluten.

 

Die Einwohner wurden im „nationalen Interesse zur Stärkung der nationalen Industrie“ zwangsenteignet und zur Aus- oder Umsiedlung gezwungen. Ein Recht auf Realersatz gab es nicht. Im Sommer 1950 wurden die Gebäude gesprengt und überflutet. Der romanische Turm aus dem 14. Jahrhundert wurde aus Gründen des Denkmalschutzes stehen gelassen. Für die Stromerzeugung wurden die Dörfer Graun und (teilweise) Reschen sowie die uralten Weiler von Arlund, Piz, Gorf und Stockerhöfe (St. Valentin) unter Wasser gesetzt. Es entstand ein Stausee mit 677 ha Fläche.

In den Jahren nach 1973 hat die Südtiroler Landesregierung umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Zirka 35 ha Kulturfläche sind mit Material aus dem Stausee zurückgewonnen worden.

Die Folgen der Aufstauung:

  • 70 % der Bevölkerung ist aus- oder abgewandert

  • 163 Wohnhäuser bzw. landwirtschaftliche Gebäude wurden gesprengt

  • 514 ha Kulturfläche vernichtet

  • 70 % weniger Nutztiere

(Quelle: Wikipedia)

 

Zwangsenteignet? Wie fürchterlich. Welches Leid und welche Tragödien mögen sich hier abgespielt haben!? Plötzlich wirkt der Ort wie aus einem Horrorszenario. Familien die im Grunde vertrieben wurden und ihren ganzen Besitz verloren und kein Zuhause mehr hatten. Die nicht wussten wohin und wie es weitergeht! Es ist schrecklich! Wir waren bis auf Mark und Bein zutiefst erschüttert! Schauer und Gänsehaut liefen über unsere Körper, aber diesmal nicht wegen der Eiseskälte sondern aus Mitgefühl.

 

Jeder von uns tigerte im Gedanken versunken in eine andere Richtung. Plötzlich kamen wir zeitgleich alle in Bewegung und wir wollten nur weg. Weg von diesem beklemmenden Ort!

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